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Klimawandel und Gesundheit: Die Menschen hinter der Wissenschaft
03.06.2025 - Ella Walch & Danielle Powell

Der Klimawandel ist keine Zukunftsbedrohung mehr – er ist eine akute Gesundheitskrise der Gegenwart. Steigende Temperaturen, veränderte Wetterbedingungen und zunehmende Luftverschmutzung beeinflussen bereits heute, wie und wo Menschen leben, arbeiten und gesund bleiben. Besonders gefährdet sind Bevölkerungsgruppen mit eingeschränktem Zugang zu Gesundheitsversorgung und geringen Anpassungsmöglichkeiten. Bis 2050 werden rund sechs Milliarden Menschen einem erhöhten Risiko für klimabedingte Krankheiten wie Malaria und Bilharziose ausgesetzt sein.

Am Swiss TPH ist der Zusammenhang zwischen Umwelt und Gesundheit seit jeher ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit. Angesichts der zunehmenden Dringlichkeit klimabedingter Gesundheitsrisiken haben wir diesen Bereich zu einer strategischen Priorität für die kommenden Jahre erklärt.

Unsere Forschenden stellen drängende Fragen – und beantworten sie mit Wissenschaft, Daten und Zusammenarbeit: Wie wirken sich extreme Temperaturen auf Gesundheitssysteme aus? Wie lässt sich die Pestizidbelastung in landwirtschaftlichen Gemeinden erfassen? Welchen Beitrag können städtische Grünräume zur Krankheitsprävention leisten? Und wie verändern sich Krankheitsrisiken durch den Klimawandel?

Die Antworten finden sich nicht nur in den Forschungsergebnissen – sondern auch bei den Menschen dahinter.

Bereichs- und disziplinübergreifend setzen sich Forschende am Swiss TPH mit den komplexen Zusammenhängen zwischen einem sich erwärmenden Planeten und der menschlichen Gesundheit auseinander. Von Umweltepidemiologie und mathematischer Modellierung über vektorübertragene Krankheiten, Stadtplanung und Pestizidexposition: Die Forschenden übersetzen Wissenschaft
in konkretes Handeln.

Ihre Arbeit basiert auf Zusammenarbeit – über Sektoren, Landesgrenzen und Gemeinschaften hinweg. Denn die Lösungen, die wir brauchen, sind ebenso vielfältig und vernetzt wie die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen. Indem sie evidenzbasierte Grundlagen für politische Entscheidungen liefern, gemeinsam mit Partnerorganisationen Interventionen entwickeln und die nächste Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stärken, leisten sie nicht nur einen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Krise, sondern gestalten eine gesündere, gerechtere und klimaresilientere Zukunft.
 

Was motiviert Sie, im Bereich Klima und Gesundheit zu arbeiten?

“Aus beruflicher Sicht bietet die Arbeit im Bereich der urbanen öffentlichen Gesundheit viele Möglichkeiten für interdisziplinäre und sektorübergreifende Zusammenarbeit, wodurch Wissenschaft in reale Wirkung übersetzt werden kann – etwas, für das ich mich sehr begeistere. Auf persönlicher Ebene bin ich mir der Tatsache bewusst, dass wir, die in wohlhabenden Ländern leben, die grösste Verantwortung für die Klimakrise tragen. Dieses Bewusstsein motiviert mich, aktiv an Lösungen mitzuwirken, um die Gesundheit und das Wohlbefinden im Kontext des globalen Klimawandels zu schützen und zu stärken.”

Mirko Winkler

leitet die Einheit «Urban Public Health» am Swiss TPH. Seine Forschung konzentriert sich auf das Zusammenspiel von Umweltveränderungen, sozialen Veränderungen, nachhaltiger Entwicklung und öffentlicher Gesundheit.

Was motiviert Sie, im Bereich Klima und Gesundheit zu arbeiten?

“Ich schätze die wissenschaftliche Herausforderung und die Arbeit mit »Big Data«, aber ebenso motivieren mich ethische Fragen – insbesondere im Hinblick auf die Zukunft, die wir für kommende Generationen gestalten. Wenn man den Klimawandel aus der Perspektive der menschlichen Gesundheit betrachtet, wird er für Menschen und Politik greifbarer. Die damit verbundenen Co-Benefits bieten zudem enormes Potenzial für Nachhaltigkeit und Naturschutz. Da Gesellschaften die Auswirkungen des Klimawandels zunehmend spüren und beginnen, die Risiken zu verstehen, kann dieses Bewusstsein politische Prioritäten, wissenschaftliche Forschung und technologische Entwicklungen beeinflussen – das motiviert mich besonders.”

Alonso Bussalleu

ist PhD-Student in der Einheit «Environmental Exposures and Health». Seine Forschung konzentriert sich auf die hochauflösende Modellierung der täglichen Temperatur in ganz Europa.

Warum ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen Klima und Gesundheit zu erforschen?

“Meine Forschung befasst sich mit Umwelteinflüssen wie Luftverschmutzung, Pollen und städtischen Grünflächen – Faktoren, die alle miteinander verbunden sind. Bäume und Grünanlagen kühlen unsere Städte und spenden Schatten. Doch eine smarte Planung ist entscheidend, damit wir von den Co-Benefits wie höherer Biodiversität, geringerer Luftverschmutzung und mehr Möglichkeiten für körperliche Aktivität profitieren – und gleichzeitig hochallergene Pollen vermeiden können. Investitionen in klimaresiliente öffentliche Räume und die Förderung des Laufens, Radfahrens oder der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind wirkungsvolle Massnahmen der Gesundheitsvorsorge. Richtig umgesetzt sind ihre Effekte grösser und gerechter als viele medizinische Behandlungen.”

Marloes Eeftens

leitet die Gruppe «Sensoring and Environmental Epidemiology» am Swiss TPH. Ihre Forschung untersucht, wie Umwelteinflüsse die menschliche Gesundheit beeinflussen.

Was ist die grösste Herausforderung bei der Bewältigung klimabedingter Gesundheitsrisiken?

“Als Public Health Institut müssen wir uns fragen: Wie kann Forschung zu Klima und Gesundheit echten Wandel bewirken? Ich bin überzeugt, dass wir den grössten Einfluss durch politikrelevante Daten haben – etwa indem wir Stadtplaner*innen unterstützen, gesündere Städte zu gestalten. Mit den von uns produzierten Evidenzen und klarer Wissenschaftskommunikation können wir Menschen dabei unterstützen, nachhaltigere Lebensweisen anzunehmen. Die enge Zusammenarbeit mit Studienteilnehmenden im Rahmen von Kohortenstudien bringt uns diesem Ziel näher – und gibt mir Hoffnung für eine gesündere, nachhaltigere Zukunft.”

Nicole Probst-Hensch

leitet das Departement «Epidemiology and Public Health» am Swiss TPH. Ihre Forschung konzentriert sich auf chronische Krankheiten mit Expertise in Umwelt- und Molekularepidemiologie, Kohortenstudien und Exposomforschung.

Worum geht es in Ihrer Forschung und wie hängt sie mit Klima und Gesundheit zusammen?

“Steigende Temperaturen können Schädlingsbefall begünstigen – und damit den Einsatz von Pestiziden erhöhen, was wiederum die Exposition für landwirtschaftliche Arbeitskräfte, für ihre Kinder und die nahegelegenen Gemeinden erhöht. Meine Forschung untersucht, wie Verhaltens- und Umweltfaktoren im Zusammenhang mit Pestizidexposition die reproduktive Gesundheit von Kindern beeinflussen. Wenn wir die Wege und Auswirkungen dieser Exposition besser verstehen, können wir Umweltgesundheitsrisiken gezielter angehen – Risiken, die durch den Klimawandel indirekt verschärft werden.”

Regina Molomo

ist PhD-Studentin in der Einheit «Chronic Disease Epidemiology». Ihre Forschung konzentriert sich auf Pestizidexposition bei Kindern und Jugendlichen in Südafrika.

Was gibt Ihnen Hoffnung für die Zukunft?

“Das Bewusstsein für die gesundheitlichen Risiken extremer Hitze und den dringenden Handlungsbedarf wächst. Es entstehen immer mehr Initiativen, um diesen Risiken zu begegnen – doch die Umsetzung von Anpassungs- und Minderungsmassnahmen verläuft noch zu langsam. Anstatt uns nur auf Hoffnung zu verlassen, müssen wir einen Weg finden, um den Wandel aktiv voranzutreiben – durch interdisziplinäre Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessensgruppen. Ziel ist es, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, gemeinsame Visionen zu entwickeln und gemeinsam Lösungen zu gestalten, die die Gesundheit schützen, Ungleichheiten verringern und eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit anpacken.”

Martina Ragettli

ist Projektleiterin in der Einheit «Environmental Exposures and Health». Ihre aktuelle Forschung konzentriert sich auf die gesundheitlichen Auswirkungen klimabedingter Umwelteinflüsse wie Hitze, Luftverschmutzung oder Grünflächen und auf Handlungsoptionen zur Minimierung dieser Risiken.

Was gibt Ihnen Hoffnung für die Zukunft?

“Trotz der Herausforderungen wie Fehlinformationen, isolierte Bemühungen und rückläufige Finanzierung sehe ich Hoffnung. Die Menschen werden sich der gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zunehmend bewusst, und Regierungen führen vermehrt klimapolitische Massnahmen ein. Wenn wir indigenes Wissen mit staatlichen Massnahmen kombinieren, können wir klimaresiliente Gesundheitssysteme schaffen. Die wachsende Zahl junger Forschender, das zunehmende öffentliche Engagement und die globale Diskussion, die den Klimawandel zunehmend als Gesundheitsfrage versteht, stimmen mich zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.”

Bryan Nyawanda

ist Postdoktorand in der Einheit «Biostatistics» am Swiss TPH. Seine Interessen liegen in der Bayesschen und frequentistischen Statistik, im maschinellen Lernen, in der Epidemiologie und in der Modellierung von Krankheiten.

Was gibt Ihnen Hoffnung für die Zukunft?

“Der Klimawandel verändert die Lebensräume von Mücken und verlagert das Krankheitsrisiko in neue Regionen. Was mir dennoch Hoffnung gibt, ist der stetige Fortschritt in Forschung, Innovation und Zusammenarbeit. Neue Strategien zur Mückenbekämpfung, etwa durch genetische Modifikation, verbesserte Insektizide und biologische Kontrollmethoden bieten neue Möglichkeiten, um vektorübertragende Krankheiten wirksamer zu bekämpfen. Viele mückenübertragene Krankheiten sind vermeidbar. Mit wissenschaftlichen Fortschritten und einem anhalten- den globalen Engagement bin ich überzeugt, dass wir ihre Belastung verringern und die globale Gesundheit verbessern können.”

Tobias Suter

leitet die Arthropod Testing Facility am Swiss TPH. Seine Forschung konzentriert sich auf die Evaluierung von Instrumenten und Strategien zur Kontrolle krankheitsübertragender Mücken.