Rosalie Zimmermanns Faszination für ferne Orte führte sie zu einer Karriere in der Tropen- und Reisemedizin. Heute nutzt sie ihre klinische Erfahrung, ihre Auslandserfahrung und ihr Impf-Wissen, um Patient*innen sowie Reisende am Swiss TPH Zentrum für Tropen- und Reisemedizin zu beraten. Im Rahmen des People of Swiss TPH-Interviews spricht sie über ihren Werdegang, ihre Arbeit und die Herausforderungen, denen sie in ihrem Berufsalltag begegnet.
Bitte stelle dich vor. Wie bist du zum Swiss TPH gekommen?
Meine Faszination für ferne Länder begann bereits in meiner Kindheit, als ich die wunderschönen Fotos und Berichte im Geo-Magazin über geheimnisvolle Regenwälder und fremde Kulturen bestaunte. Während meines Medizinstudiums hörte ich in den Parasitologie-Vorlesungen an der Universität Basel von Helminthenzyklen und menschengemachter Malaria – und war völlig fasziniert. Ich begann, mich auf Tropenkrankheiten zu fokussieren und arbeitete später am Zentrum für Tropen- und Reisemedizin sowie in verschiedenen Spitälern und Gesundheitsinstitutionen in der Schweiz, den Niederlanden, der Lao PDR und Suriname. Kürzlich bin ich zu Swiss TPH zurückgekehrt, wo ich nun als Oberärztin am Zentrum für Tropen- und Reisemedizin und als klinische Mikrobiologin im Diagnostikzentrum tätig bin.
Es gab eine Zeit, in der ich überlegte, die Medizin zu verlassen, um einen anderen Traum zu verfolgen: Vulkanologin zu werden. Um dieses Studium zu finanzieren, arbeitete ich weiter als Ärztin, und im Laufe der Zeit führte mich mein verschlungener Lebensweg wieder zurück zur Medizin. Vulkane wurden zu einem Hobby, aber Geowissenschaften und Medizin lassen sich in der Forschung sehr gut verbinden – zum Beispiel, als ich in der Lao PDR untersuchte, wie sich Umweltkeime wie Burkholderia pseudomallei ausbreiten.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag als Ärztin am Zentrum für Tropen- und Reisemedizin von Swiss TPH aus?
Jeder Tag ist anders. Ich sehe Patient*innen, die krank aus den Tropen zurückkehren, oder Mitarbeitende des Swiss TPH, die für eine Eintrittsuntersuchung kommen. Zudem unterstütze ich unser Team im Hintergrund: bei Personen mit speziellen Risiken oder Kolleg*innen, die Patient*innen mit Tropenkrankheiten betreuen. Bei Bedarf führe ich auch Reiseberatungen durch.
Was motiviert dich, am Swiss TPH zu arbeiten?
Die Möglichkeit, in dem Bereich zu arbeiten, der mich am meisten fasziniert – tropische Infektionskrankheiten – und klinische Tätigkeit, Labordiagnostik und Forschung zu verbinden, ist eine grossartige Chance. Und natürlich die freundlichen Kolleg*innen und das internationale Arbeitsumfeld! Seit fast 19 Jahren arbeite ich immer wieder am Swiss TPH, und es fühlt sich noch immer wie zuhause an.
Die Reisemedizin ist ein grosser Teil deiner Arbeit, aber ihr auch Routineimpfungen an. Welche Impfungen sind besonders wichtig?
Die Grundimmunisierung ist wichtig. Diese Impfungen schützen vor potenziell verheerenden Krankheiten – was wir oft vergessen, weil sie dank der breiten Immunisierung selten geworden sind. Wenn auch nur ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung aufhört, sich gegen Infektionen wie Masern impfen zu lassen, treten Ausbrüche auf – und diese betreffen überproportional die vulnerabelsten Gruppen: kleine Kinder, schwangere Frauen und immungeschwächte Personen. Durch Pendeln, Reisen und Migration können sich solche Krankheiten schnell ausbreiten.
Manche Menschen sind Impfungen gegenüber skeptisch eingestellt. Erlebst du das in deiner Arbeit und wie gehst du damit um?
Impfskepsis erlebe ich fast täglich. Unsere Impfempfehlungen basieren darauf, die Schwere einer Krankheit und das Infektionsrisiko gegen das Risiko schwerer Nebenwirkungen einer Impfung abzuwägen – fundiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und umfangreicher klinischer Erfahrung. Vielen Menschen hilft es, umfassende Informationen zu erhalten, um eine Entscheidung zu treffen. Wenn jedoch starke Überzeugungen im Spiel sind, verlaufen Diskussionen meist unproduktiv. Dann ist der vernünftigste Ansatz – zumindest während einer Reiseberatung – zu dokumentieren, dass die Impfung empfohlen wurde, die Person sie jedoch abgelehnt hat.
Du hast an den verschiedensten Orten gearbeitet, wie Lao PDR, Suriname und Amsterdam. Wie haben diese Erfahrungen deinen Blick auf globale Gesundheit geprägt?
Wir vergessen oft, wie privilegiert wir sind, in der Schweiz ein gut funktionierendes Gesundheitssystem zu haben, das für alle da ist. In vielen Teilen der Welt ist das nicht der Fall – aufgrund sozioökonomischer und bildungsbezogener Ungleichheiten, bürgerlicher Unruhen und politischer Korruption, die diese Ungleichheiten aufrechterhalten. Meiner Erfahrung nach ist externe Unterstützung zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung nur dann nachhaltig, wenn die Verantwortung für die Bewältigung dieser Bedingungen von innen heraus übernommen wird. Umgekehrt könnte das hochspezialisierte und teure Gesundheitssystem der Schweiz von einer zentraleren Rolle der Hausärzt*innen und etwas Pragmatismus profitieren.
Welche aktuelle Erkenntnis oder medizinische Entwicklung beeindruckt dich?
Endlich ist eine rein orale, effektive und gut verträgliche Behandlung für die Schlafkrankheit zugelassen, welche die zuvor verwendeten toxischen Medikamente ersetzt. Ich hoffe, dass ähnliche Fortschritte bald auch für die Chagas-Krankheit erzielt werden – und für die Leishmaniose, eine vernachlässigte parasitäre Krankheit, die durch Sandmücken übertragen wird und sich mit dem Klimawandel wahrscheinlich weiter ausbreiten wird.
Was hast du auf Reisen immer dabei?
Ein Schweizer Taschenmesser.