Abschied von Thierry Freyvogel

02.05.2019

Wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag ist Thierry Alfred Freyvogel-Jenny (4. Mai 1929 - 24. April 2019) zu Hause friedlich eingeschlafen. Wir verlieren mit ihm einen einfühlsamen, weitsichtigen, witzigen und sozial engagierten Menschen, einen geachteten Kollegen und lieben Freund.

Seine unermüdliche Forschung über Gifttiere in Ostafrika und der furchtlose Umgang mit den Tieren brachte Thierry Freyvogel auch den Beinamen "Bwana Nyoka", Herr der Schlangen ein (Foto: Swiss TPH).

Thierry Freyvogel kam 1929 in einem weltoffenen und der Kultur Basels tief verwurzelten Elternhaus zur Welt. Seine frühe Kindheit verbrachte er in Paris, wo die Liebe zur französischen Sprache und Kultur keimte. Beim Ausbruch des zweiten Weltkriegs zog die Familie zurück nach Basel. Hier durchlebte er die schwierige Kriegszeit und schöpfte Energie und Lebenskraft in dem von der Familie ausgestrahlten und gelebten Mut und der Zuversicht. Diese Wurzeln gaben ihm und seinen drei Geschwistern Entschlossenheit und Ausdauer fürs Leben.

Das berufliche Werden wird im Studium der Zoologie zu einer Berufung. Glücklich berichtete Thierry Freyvogel, wie er dank zweier grosser akademischer Lehrer, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, Rudolf Geigy und Adolf Portmann, den Weg zur Forschung, zur Lehre und später auch in die Tropen fand.

Nach dem Studium der Zoologie an der Universität Basel und einer Doktorarbeit bei Rudolf Geigy errichtete er von 1955 bis 1957 das Feldlabor des Schweizerischen Tropeninstituts (heute: Swiss TPH) in Ifakara, Tansania. Er schuf damit die Grundlagen für die bis heute andauernde Partnerschaft mit Tansania. Von der lokalen Bevölkerung liebevoll "Ndege Huru" (freier Vogel) genannt, wirkten seine Erfahrungen in Afrika zeitlebens prägend auf ihn.

Die enorm hohe Malariaübertragung im Umkreis von Ifakara trieb Thierry Freyvogel einerseits zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Malaria und vertiefte andererseits sein Verständnis der Ökosysteme und Lebensbedingungen der Menschen. Diese Einsichten und das Staunen über die nicht restlos erklärbare Natur teilte Thierry am liebsten und eindrucksvollsten, wenn er mit uns, seinen europäischen und afrikanischen Schülern, im afrikanischen Busch übernachtete. Den Busch erleben und um ein Feuer unter dem imposanten Sternenhimmel bis tief in die Nacht diskutieren, nachdenken und auch seinen von wunderbarem Witz und aufwühlender Tiefe getragenen Geschichten zu lauschen, förderte unser Enthusiasmus und Engagement.

In seiner Habilitationsschrift "Von der zweifachen Aufgabe der Parasitologie", die er an der Universität Basel vorlegte, verdichtete Freyvogel seine grundlegenden Erlebnisse in Afrika und die Verantwortung, die daraus erwuchs. Er betonte wie wichtig es sei, biologische Prozesse zu studieren, wir aber gleichzeitig ethisch verpflichtet seien, wissenschaftliche Resultate zugunsten der betroffenen Menschen umzusetzen. Auf dieser Basis übernahm er 1972 die Leitung des Swiss TPH von Rudolf Geigy. Als Universitätslehrer setzte er sich für die Entwicklung und den Erhalt der organismischen Zoologie in Basel ein. Ihm ist es zu verdanken, dass dieses Fach heute im Departement Umweltwissenschaften durch strukturelle Professuren gesichert werden konnte.

Während seiner Zeit als Direktor des Swiss TPH engagierte sich Thierry Freyvogel auch als Experte für die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) oder für den Verbund europäischer Tropeninstitute. Nach seinem Rücktritt stand insbesondere die Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften im Zentrum seines Engagements. Die von ihm gegründete und heute international anerkannte Kommission für Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern (KFPE) profitierte stark von seinen Erfahrungen und Erkenntnissen in Afrika. Dank Thierry Freyvogel ist die KFPE heute eine Referenz bei der Frage, wie das Miteinander in Lehre und Forschung zu einer besseren Welt beitragen kann.

Seine vor zweieinhalb Jahren verstobene Gattin Nadine war ihm zeitlebens eine grosse Stütze und Inspiration. Ihr frohes, kluges Wesen, die soziale Art und innovative Persönlichkeit haben in Thierry viele Kräfte geweckt und ihm Lebenslust geschenkt.

Seine lokalen Wurzeln hat Thierry Freyvogel nie vergessen. Er engagierte sich zeitlebens stark für den Zolli, als Meister in der Zunft für Hausgenossen und war ein begeistertes Mitglied der Zofinger, einer traditionellen Basler Studentenverbindung.

In all diesen Erinnerungen erleben wir sein scharfsinniges, humorvolles und konsequentes Sein und damit auch für uns täglich Ausblicke für eine bessere Welt. So lebt Thierry Freyvogel in uns und mit uns weiter. Wir alle sind ihm sehr dankbar und sprechen seiner Familie unser tiefstes Beileid aus.

Marcel Tanner

Marcel Tanner

Professor, PhD, Epidemiologist, MPH

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