Bessere Versorgungsqualität in Tadschikistan fängt bei medizinischer Ausbildung an

25.09.2019

Zwei Drittel der tadschikischen Bevölkerung lebt auf dem Land – ein besserer Zugang zu guter gesundheitlicher Versorgung funktioniert daher nur über die Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung. Dabei kommt der medizinischen Ausbildung eine Schlüsselrolle zu. Das vom Swiss TPH durchgeführte Reformprojekt im Bereich der medizinischen Ausbildung (Medical Education Reform Project, MEP) der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) soll die medizinische Grundversorgung und Ausbildung in Tadschikistan verbessern und so einen Beitrag zum Ziel der universellen Gesundheitsversorgung leisten.

Das MEP verbessert die Gesundheitslage in Tadschikistan.

Tadschikistan: Ein Land im Wiederaufbau

Seit der Unabhängigkeit im Jahre 1991 hat man in Tadschikistan viel daran gesetzt, den Übergang von einem stark zentralisierten und facharztlastigen Gesundheitssystem aus Sowjetzeiten hin zu einem System der medizinischen Grundversorgung zu schaffen, welches sich auf das Hausarztmodell stützt. Das Land wurde bis 1997 von einem Bürgerkrieg erschüttert und ist noch immer mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau beschäftigt. Dies hat zur Folge, dass auch im Gesundheitswesen noch Rückstände aufzuholen sind.

Heute ist Tadschikistan das ärmste Land in Zentralasien. Es leidet unter einer Doppelbelastung durch Infektionskrankheiten einerseits und nicht übertragbare Krankheiten andererseits. Fast 40 Prozent der Todesfälle sind auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Insbesondere im ländlichen Raum sehen sich die Menschen oft diversen Hürden bei der Gesundheitsversorgung gegenüber: Ein Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Krankenpflegern, die Knappheit von Medikamenten und anderen medizinischen Bedarfsartikeln sowie die defizitäre Infrastruktur verhindern den Zugang zu einer guten Behandlung und Versorgung.

Mit dem Medical Education Reform Project (MEP) soll die Qualität der medizinischen Grundversorgung in Tadschikistan verbessert werden. Angestrebt werden eine Reform sowohl der grundständigen als auch weiterführenden Ausbildung sowie die Einführung neuer Formen der kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung. So soll ein belastbares System mit gut ausgebildeten Hausärzten und Pflegekräften geschaffen werden. Das MEP läuft in Kooperation mit dem Gesundheits- und dem Bildungsministerium, dem Republikanischen Zentrum für Familienmedizin, der Tadschikischen Staatlichen Medizinischen Universität, Krankenpflegeschulen und dem Postakademischen Medizinischen Institut. Beteiligt sind ausserdem das Institut für Pflegewissenschaft in Basel und die University of Calgary.

Stärkung des Gesundheitswesens seit 20 Jahren

Seit nunmehr 20 Jahren unterstützt die Schweiz Tadschikistan bei der Stärkung seines Gesundheitssystems, wobei der Fokus in den letzten 10 Jahren auf der Reform der medizinischen Ausbildung lag. Ziel ist es, die Ausbildung von Ärzten und Krankenpflegern zu modernisieren, indem mehr auf praktische und klinische Fähigkeiten sowie Kommunikationstechniken gesetzt wird und schon früh während der Ausbildung eine direkte Konfrontation mit den medizinischen Realitäten im ländlichen Raum erfolgt. Letzteres geschieht nach Schweizer Vorbild durch die direkte Arbeit mit Patienten unter Anleitung erfahrener Kollegen.

"Das MEP hat einen Wissens- und Erfahrungsschatz aufgebaut, der von der grundständigen und weiterführenden Ausbildung bis hin zur kontinuierlichen Weiterbildung reicht und für andere Länder der Region hochgradig relevant ist. Dieselbe Relevanz besteht auch in anderen Ländern, in denen die DEZA aktiv ist, so zum Beispiel in Albanien und der Ukraine", erläutert Helen Prytherch, die am Swiss TPH für den Bereich Unterstützung der Gesundheitssysteme zuständig ist und ausserdem als Projektleiterin des MEP fungiert. "Wir werden weiterhin unsere Schweizer Expertise beim Kapazitätsaufbau und unsere bisherigen Erfahrungen in Ländern wie Tadschikistan nutzen, um unser Wissen an andere Länder und Kontexte anzupassen."

Bei der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung im Bereich Gesundheit fördert die Schweiz die universelle Gesundheitsversorgung mit Massnahmen, die den Aufbau von Sozialschutzmechanismen und den Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung unterstützen. Insbesondere die DEZA beteiligt sich an der Finanzierung und Umsetzung von Projekten im Bereich der universellen Gesundheitsversorgung in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen, zu denen auch Tadschikistan zählt.

"Die Arbeit der Schweiz in Tadschikistan wurde im Laufe der letzten 20 Jahre geprägt von Herausforderungen, aber auch von grossen Erfolgserlebnissen, vor allem in Bereichen wie der Reform der medizinischen Ausbildung. Eines dürfen wir nicht vergessen: Bei der Umsetzung von Projekten, die auf eine Stärkung des Gesundheitswesens und die universelle Gesundheitsversorgung abzielen, sind politische und finanzielle Zusagen von entscheidender Bedeutung. Nur mit ihnen kann sichergestellt werden, dass die Projekte langfristig und nachhaltig funktionieren", so die stellvertretende Leiterin des Schweizer Kooperationsbüros in Tadschikistan Corinne Demenge.

Arbeitskräftepotenzial aktivieren durch Reform der medizinischen Ausbildung

Trotz der grossen Zahl an ausgebildeten Medizinstudierenden aus Tadschikistan fehlt es im ländlichen Raum an qualifizierten Hausärzten und Krankenpflegern, sodass das Land bei der Bekämpfung der genannten Doppelbelastung durch Krankheiten nicht gut dasteht. Die Situation wird durch eine Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte noch verschärft. Ein grosser Teil der Fachkräfte lässt sich auf der Suche nach einem besseren Lebensunterhalt für sich selbst und ihre Familien in Russland oder anderen, reicheren Ländern nieder.

Als Reaktion darauf wurden mit dem MEP nicht nur grundständige und weiterführende Studiengänge eingeführt, sondern auch ein zusätzliches Jahr der medizinischen Ausbildung zum Aufbau praktischer Kenntnisse sowie eine zweijährige Spezialisierung im Bereich Allgemeinmedizin, das Post-University Speciality Training Programme (PUST). Im Rahmen des PUST arbeiten Absolventinnen und Absolventen unter Anleitung erfahrener Hausärzte direkt in der klinischen Praxis. 105 Assistenzärzte haben das PUST bereits durchlaufen und arbeiten allesamt als Hausärzte in ländlichen Gegenden.

"Die Hausarztausbildung in Tadschikistan ist anspruchsvoll, aber sie lohnt sich: Ich kann meinem sozialen Umfeld etwas zurückgeben, indem ich sicherstelle, dass meine Familie, Freunde und Nachbarn Zugang zur nötigen Gesundheitsversorgung haben", erklärt Shamsiya Davlyatova, die sechs Jahre lang Medizin studiert und das PUST-Programm durchlaufen hat, um Hausärztin zu werden.

Wissen mit nach Hause nehmen

Shamsiya Davlyatova ist eine junge Ärztin, die in Rudaki in Tadschikistan aufwuchs, einer Ortschaft mit 15'000 Einwohnern. Sie kommt aus einer Gemeinschaft mit starkem sozialem Zusammenhalt und entwickelte ein ausgeprägtes Interesse für Medizin, als sie als Kind den Hausärzten bei der Arbeit zusah. "Ich habe die Hausärzte oft bewundert. Sie kannten ihre Patienten und deren Familien so gut", erinnert sich Davlyatova. "Sie waren ein Teil unseres Lebens, und sie konnten ihre Patienten besser betreuen und Probleme schneller identifizieren als die Fachärzte, weil sie die Familiengeschichte kannten."

Nach sechs intensiven Studienjahren und zwei weiteren Jahren im PUST-Programm der Tadschikischen Staatlichen Medizinischen Universität kehrte Shamsiya Davlyatova in ihre Heimatstadt Rudaki zurück, um dort als Hausärztin zu praktizieren. "Ich bin für mein eigenes Gebiet mit 2000 Einwohnern zuständig. Nun kann ich genauso eine Ärztin werden, wie diejenigen, mit denen ich aufgewachsen bin und kann den Menschen, die mich grossgezogen haben, etwas zurückgeben", sagt sie. "Jetzt arbeite ich hart, um durch den Ideenaustausch mit Kollegen in Peergroups immer auf dem neuesten Stand zu bleiben." Peergroups sind ein nachhaltiges Modell der kontinuierlichen Weiterbildung, das vom MEP gefördert wird. In Peergroups haben Hausärzte und Krankenpfleger die Möglichkeit, fachliche aber auch andere Herausforderungen aus der Praxis in einem informellen Rahmen zu diskutieren.

Eine grosse, aber nicht unmögliche Aufgabe

Da die Landbevölkerung Tadschikistans prozentual schneller wächst als die Stadtbevölkerung, ist die Gesundheitsversorgung auf dem Land weiterhin eine riesige Aufgabe. Das MEP trägt durch die Stärkung der Grundversorgung und den Aufbau eines Netzes an gut ausgebildeten Ärzten und Krankenpflegern dazu bei, die Gesundheitslage in Tadschikistan zu verbessern. Ausserdem dient es als Modell für andere Länder, die es sich zum Ziel gesetzt haben, über die medizinische Ausbildung eine universelle Gesundheitsversorgung zu erreichen.

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