Die COVID-19-Pandemie stellt insbesondere ressourcen-ärmere Länder vor grosse Herausforderungen, auch in Sachen Diagnostik. Das Swiss TPH unterstützte Äquatorial Guinea beim Aufbau eines der wenigen Diagnostik-Labors für Sars-CoV-2 der Region. Claudia Daubenberger, Leiterin der Einheit „Clinical Immunology“ am Swiss TPH, spricht in einem Interview über die aufreibenden vergangenen Wochen und die Herausforderungen der Sars-CoV-2-Diagnostik in afrikanischen Ländern südlich der Sahara.
Wie kommt es, dass Mitarbeitende des Swiss TPH das einzige Sars-CoV-2-Diagnostiklabor in Äquatorial Guinea betreiben?
Das Swiss TPH ist seit über 5 Jahren in Äquatorial Guinea aktiv. Für unsere Malaria-Impfstoff-Studien haben wir dort mit unseren Partnern der Regierung, dem Ifakara Health Institute (IHI) in Tansania, Sanaria Inc. und Medical Care Development International (MCDI) eines der bestausgerüsteten Labors der Region aufgebaut. Das Labor war ursprünglich als reines Forschungslabor für epidemiologische und klinische Studien im Zusammenhang mit Malaria geplant und dementsprechend eingerichtet. Unsere Idee war, das Labor in den kommenden Jahren zu einem nationalen Referenzlabor weiterzuentwickeln.
Im Januar erfuhren wir von einem ersten COVID-19 Verdachtsfall in Äquatorial Guinea. Es gab aber vor Ort keine Möglichkeit, einen Test durchzuführen. Die Probe sollte also zuerst nach Senegal und schliesslich – als sich der Kurierdienst weigerte – nach Paris verschickt werden. Da rief mich der stellvertretende Gesundheitsminister von Äquatorial Guinea, seine Exzellenz Mitoha Ondo'o Ayekaba, an.
Der stellvertretende Gesundheitsminister rief bei Ihnen direkt an?
Ja, ich war damals noch im Büro an der Socinstrasse, noch nicht im Home-Office. Er bat mich, seinem Land dabei zu helfen, ein Diagnostiklabor für Sars-CoV-2 aufzubauen. Das war am 28. Januar – seitdem arbeitet mein Team unter Hochdruck um diese Viren aufzuspüren. Tobias Schindler aus meiner Einheit flog bereits zwei Tage später in die Hauptstadt Malabo. Direkt nach seiner Ankunft, testete er den Verdachtsfall: zum Glück war er negativ.
Nur mit der grosszügigen und kompetenten Hilfe von Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz konnten wir also innerhalb von 60 Stunden nach diesem Anruf die erste erfolgreiche Virusdiagnostik in der Region durchführen.
Welches zusätzliche Equipment wurde für den Aufbau des Labors benötigt?
Es fehlte an allem – Reagenzien, Labormaterialien, Ausrüstung, Handschuhe und Masken! Wir mussten lernen die molekulare Sars-CoV-2 Diagnostik mit ständig ansteigendem Probendurchsatz und unter extremem Zeitdruck durchzuführen. Zurzeit ist es eine grosse Herausforderung das dafür benötigte Material international zu beschaffen. Einige Länder, wie zum Beispiel die USA, haben den Export von diesen Gütern fast komplett gestoppt. Schlussendlich konnten wir über einen Zeitraum von rund 4 Wochen das Material in der Schweiz beschaffen, mussten aber merken, dass der Transport der vielen Kisten von der Schweiz nach Sub-Sahara-Afrika noch weitaus komplizierter ist. DHL lieferte nicht mehr, da in der Zwischenzeit die meisten Flüge in Afrika eingestellt wurden.
Wie habt Ihr das gelöst?
Das Gesundheitsministerium schickte letztendlich ein Privatflugzeug an den EuroAirport in Basel. Die Übergabe des Materials, immerhin knapp 500 kg, erfolgte am Freitag, den 17. April, da es noch durch den Zoll am Flughafen musste. Alles war minutiös geplant, die für den Laborbetrieb benötigten Spezial-Handschuhe trafen eine Stunde vor dem Transfer des Materials an den EuroAirport ein.
Die Maschine landete am 18. April um 11:06 Uhr und konnte bereits nach nur 15 Minuten wieder vom europäischen Boden abheben. Wir haben bis zum Schluss gezittert; aber alles klappte. Mein Team vor Ort – Tobias Schindler, Maximillian Mpina und Elizabeth Nyakarungu – konnte die Kisten noch am gleichen Abend in Malabo auspacken und zum Diagnostik-Einsatz vorbereiten.
Seit dem Beginn des COVID-19-Ausbruchs hat das Team insgesamt mehr als 6270 Swaps getestet und bisher wurden 315 Sars-CoV-2-Infektionen identifiziert (Stand 6. Mai 2020).
Das klingt alles wie ein Krimi…
Ja, es waren ereignisreiche Wochen. Aber sie haben auch gezeigt, dass gute Zusammenarbeit und Solidarität Berge versetzen kann! Gerne möchte ich mich beim Technischen Dienst des Swiss TPH bedanken, vor allem Fabien Haas und Thierry Brun. Ohne ihre Unterstützung wäre das Verladen des Materials und die Kommunikation mit dem Flughafenzoll in so kurzer Zeit nicht möglich gewesen.
Mein Team hier in Basel hat unermüdlich die Firmen abgeklappert, wo es noch was zu bestellen gab, und persönlich noch in Apotheken Desinfektionsmittel gekauft, das dann ebenfalls verschickt werden konnte. Die Interaktion mit dem Gesundheitsministerium ist transparent, offen und konstruktiv. Nur so konnten wir zum Beispiel innerhalb von 48 Stunden gemeinsam diesen Transport organisieren und durchführen. Die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor des Landes ist ausgezeichnet. Dadurch werden die finanziellen Mittel mobilisiert, um das Labor am Laufen zu halten. Über Carlos Cortes von MCDI wird vor Ort die Logistik des Probensammelns und Transfer ins Labor gut gelöst.
Leider legt die Krise aber auch Probleme offen: Die USA, die während der Ebola-Epidemie in West-Afrika sehr stark engagiert war, ist in der Region fast vollständig von der Bildfläche verschwunden und die internationale Zusammenarbeit ist richtiggehend eingebrochen. Umso wichtiger ist es, unseren Partnern zu zeigen: das Swiss TPH ist und bleibt hier und partnerschaftlich können wir Grosses erreichen. Und wir gehen auch manchmal ungewöhnliche Wege, um in diesen Zeiten zu unterstützen.
Die Regierung von Äquatorial Guinea hat die wichtige Fracht mit einem Privatflugzeug ins Land bringen können. Andere Länder haben weniger Mittel – wie können sie die COVID-19-Pandemie bewältigen?
In der Tat stehen viele Länder mit wenigen Ressourcen vor einer riesigen Herausforderung. Es fehlt an Material und Personal, und diese molekularen Tests sind teuer. Aber auch die generelle Gesundheitsversorgung muss aufrechterhalten werden. Impfkampagnen gegen Masern sind gefährdet. Auch hören wir von Gesundheitszentren, die aus Angst vor einer Ansteckung ihre Türen geschlossen haben. Dies ist verheerend für die Gesundheit der Bevölkerung auch im Zusammenhang mit der Kontrolle von Malaria und Tuberkulose und der Betreuung von schwangeren Frauen und Kleinkindern.
Was können wir aus dieser Krise lernen?
Zuerst einmal muss die Bedeutung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer globalen Pandemie unterstrichen werden. Aus meiner Sicht sind die Angriffe auf die WHO völlig unverständlich. Wir haben schnelle und kompetente Hilfe erfahren durch die WHO-Länderverantwortlichen. Schon Anfang März wurden Trainingskurse organisiert und auch in Äquatorial Guinea durchgeführt. Die WHO hat schnell genaue Anweisungen zur Diagnostik allgemein zugänglich gemacht. Auch erhielten wir Unterstützung bei der Material-Beschaffung auf dem Weltmarkt, der nach wie vor stark ausgetrocknet ist.
Die Situation in ressourcen-schwachen Ländern hat aber auch gezeigt, dass nicht jedes Land die Kapazität hat, schnell eine eigene Diagnostik für Pandemien in dieser Geschwindigkeit aufzubauen. Was wir erleben, ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Eine Idee für die Zukunft wäre es daher, mobile Hightech-Testlabors bereitzustellen, die dann jederzeit als unabhängige Einheiten in Ausbruchsregionen verlegt werden können, zusammen mit benötigten Ärzten und Technikern. Hier ist das Swiss TPH mit seiner Expertise und dem internationalen Netzwerk bestens positioniert, um unsere langjährigen Erfahrungen in konstruktives Handeln für die Zukunft umzuwandeln.
Contact
Claudia Daubenberger
DVM, Prof. Dr.
Head of Unit
+41612848217
claudia.daubenberger@swisstph.ch
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