Forschende des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) und Partnerinstitutionen haben in Côte d’Ivoire eine neue parasitäre Wurmart entdeckt, die den Namen Trichuris incognita trägt. Die Entdeckung erfolgte im Rahmen einer vom Swiss TPH geleiteten klinischen Studie und hat weitreichende Folgen für die Entwicklung von Medikamenten und die Diagnostik: Die neue Art ist unter dem Mikroskop nicht von bekannten Peitschenwürmern zu unterscheiden, spricht jedoch deutlich schlechter auf die Standardbehandlung an. Mit der offiziellen Übergabe konservierter Proben an das Naturhistorische Museum Basel wird die Entdeckung nun gemäss internationaler Regeln zur wissenschaftlichen Namensgebung formell anerkannt.

Trichuris Incognita (Photo: Max Bär / Swiss TPH)
Peitschenwurminfektionen betreffen weltweit schätzungsweise 500 Millionen Menschen, darunter hauptsächlich Kinder in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Ausgelöst werden sie durch den parasitären Wurm Trichuris trichiura, der zu erheblichen Gesundheitsproblemen wie Bauchschmerzen, Durchfall und Blutarmut führen kann. Bislang ging man davon aus, dass alle menschlichen Peitschenwurminfektionen auf diese eine Art zurückzuführen sind.
Doch Forschende des Swiss TPH, gemeinsam mit Partnern in Côte d’Ivoire und der Universität Calgary (Kanada), haben nun eine bisher unbekannte Art entdeckt, die Menschen infiziert. Die Entdeckung gelang im Rahmen einer klinischen Studie in Côte d’Ivoire, in der sich die übliche Behandlung mit Albendazol und Ivermectin als weniger wirksam erwies als in vergleichbaren Studien in Laos und Tansania.
Da die neue Art unter dem Mikroskop identisch wie Trichuris trichiura aussieht, vermuteten die Forschenden zunächst eine Arzneimittelresistenz. Genomanalysen zeigten jedoch, dass es sich um eine bislang unbekannte Art handelt. Das Forschungsteam benannte den neuen Wurm in Anlehnung an seine bislang unerkannte Existenz Trichuris incognita.
Weitreichende Auswirkungen auf die Medikamentenentwicklung
«Diese Entdeckung hat grosse Auswirkungen darauf, wie wir parasitäre Wurminfektionen weltweit behandeln», sagt Jennifer Keiser, Leiterin der Einheit «Helminth Drug Development» am Swiss TPH und Professorin für Vernachlässigte Tropenkrankheiten an der Universität Basel. «Es ist gut möglich, dass Patientinnen und Patienten in vielen Regionen mit Trichuris incognita infiziert sind – und unsere derzeit beste Behandlungskombination mit Albendazol und Ivermectin dagegen nicht wirkt. Die Entdeckung unterstreicht einmal mehr den dringenden Bedarf an neuen Behandlungen gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten.»
Keiser zeigt sich hoffnungsvoll, dass das neue Medikament Emodepsid, das in neuen klinischen Studien sehr vielversprechende Ergebnisse gezeigt ha t, auch gegen Trichuris incognita wirksam sein könnte. Weitere Studien sind nötig, um dies zu bestätigen. Das Swiss TPH arbeitet derzeit mit der Pharmafirma Bayer an der Weiterentwicklung von Emodepsid.
Unklare weltweite Verbreitung
Die neue Art wurde bislang vor allem in Côte d’Ivoire nachgewiesen. Ihre weltweite Verbreitung ist noch unbekannt, da umfassende DNA-Analysen aus anderen Endemiegebieten noch ausstehen.
«Für Côte d’Ivoire ist diese Entdeckung entscheidend», sagte Jean Coulibaly, Forscher am Centre Suisse de Recherches Scientifiques en Côte d’Ivoire. «Diese Entdeckung könnte die Art und Weise verändern, wie wir Peitschenwurminfektionen im ganzen Land – und darüber hinaus – bekämpfen.»
Offizielle Übergabe an das Naturhistorische Museum Basel
Heute hat das Swiss TPH männliche und weibliche Exemplare von Trichuris incognita, konserviert in Ethanol, offiziell dem Naturhistorischen Museum Basel übergeben. Dieser Schritt ist Teil des formalen Prozesses gemäss dem Internationalen Code der Zoologischen Nomenklatur zur offiziellen Registrierung neuer Arten.
«Wir sind stolz darauf, den namensgebenden Typ von Trichuris incognita als wertvollen Teil unserer wissenschaftlichen Sammlungen zu archivieren», sagt Christian Kropf, Leiter «Life Sciences» am Naturhistorischen Museum Basel. «Unsere Sammlungen werden nach höchsten Standards kuratiert und stehen allen offen, die sich für die Erforschung der Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten interessieren.»
Wichtigkeit von Next-Generation-Sequencing
Der Durchbruch wurde durch den Einsatz von Next-Generation-Sequencing-Technologien ermöglicht, mit denen das vollständige Genom des Parasiten entschlüsselt werden konnte. Die Entdeckung zeigt, welche zentrale Rolle moderne Genomsequenzierung heute in der Parasitologie und Diagnostik spielt – insbesondere beim Aufspüren bislang unerkannter Arten, die mit traditionellen Methoden wie der Mikroskopie nicht zu erkennen sind.
«Es ist unglaublich spannend, Teil dieser Entdeckung zu sein», sagt Max Bär, der das Vorkommen von Trichuris incognita im Rahmen seiner Dissertation nachgewiesen hat. «Dieser Wurm sieht unter dem Mikroskop aus wie andere Arten derselben Gattung – aber sein genetisches Profil ist leicht anders. Und diese kleine Abweichung hat grosse Auswirkungen auf die globale Gesundheit.»
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Jennifer Keiser
Associate Professor, PhD
Head of Unit
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