Sie hielten vor drei Jahren die Eröffnungsrede beim neuen Swiss TPH-Hauptsitz in Allschwil. Was war Ihr Eindruck damals – und wie sehen Sie die Entwicklung des Swiss TPH bis heute?

Martina Hirayama: «Es war eindrücklich, das neue Gebäude zu betreten – modern, offen, voller Energie. Die Infrastruktur passt zur Spitzenforschung, die darin betrieben wird. Das Swiss TPH ist heute ein wichtiger Pfeiler im Schweizer Bildungs-, Forschungs- und Innovationssystem, national nicht mehr wegzudenken im Bereich Public Health. Beeindruckend ist auch die internationale Verankerung – das Swiss TPH ist weltweit präsent und vernetzt.»

Sie nahmen im Januar 2025 am Weltwirtschaftsforum (WEF) teil. Desinformation wurde als grösstes globales Risiko der nächsten zwei Jahre eingestuft, noch vor extremen Wetterereignissen und bewaffneten Konflikten. Wie können Akteur*innen im Bildungs-, Forschungs- und Innovationsbereich in der Schweiz dem entgegenhalten?

Martina Hirayama: «Drei Dinge sind für mich zentral: Erstens Bildung – sie befähigt Menschen, kritisch zu denken und Medienkompetenz zu entwickeln. Nur so kann man Informationen richtig einordnen. Zweitens die Wissenschaft selbst: Sie muss transparent sein, auch was ihre Grenzen betrifft. Forschung ist ein Prozess, nicht immer gibt es sofort definitive Antworten. Und drittens: die Entwicklung von technologischen Instrumenten, die helfen, Desinformation zu erkennen – hier ist Forschung genauso gefragt wie der verantwortungsvolle Einsatz dieser Technologien.»

Gemäss dem Global Innovation Index der UNO ist die Schweiz zum 14. Mal in Folge das innovativste Land der Welt. Gefährden die jüngsten Sparpläne des Bundesrates diese Position?

Martina Hirayama: «Unsere Innovationskraft beruht auf vielen verschiedenen Faktoren: einer starken Berufsbildung, exzellenten Hochschulen, guter Grundlagenforschung und einem aktiven Wissens- und Technologietransfer. Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, die in der Schweiz rund zwei Drittel der Forschung und Innovation finanziert. Dafür braucht es geeignete Rahmenbedingungen – sowohl für grosse Unternehmen als auch für KMU und Start-ups. Zentral ist zudem die internationale Zusammenarbeit, etwa über europäische Programme oder in bilateraler Form, damit gemeinsame Forschungsprojekte und Mobilität im Bildungsbereich möglich bleiben. Weitere Faktoren sind die Lebensqualität, politische Stabilität und ein zuverlässiges Rechtssystem. Klar, die finanzielle Lage ist angespannt und es wird entscheidend sein, wo man jetzt politisch die Prioritäten setzt. Bildung, Forschung und Innovation geniessen in der Schweiz aber eine breite Unterstützung in der Politik und in der Bevölkerung. Das Bewusstsein, dass es wichtig ist, in Bildung, Forschung und Innovation zu investieren, ist da.»

Auch international ist die Wissenschaft stark unter Druck. Beispielsweise in der Klimaforschung, Biomedizin und der globalen Gesundheit. Sollte sich die Schweiz hier stärker positionieren?

Martina Hirayama: «Ein besonderes Merkmal unserer Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik – und etwas, das uns von vielen anderen Ländern unterscheidet – ist ihr stark bottom-up geprägter Ansatz. Wir setzen auf die Initiative und Expertise der Forschenden, anstatt politisch vorzugeben, welche Themen erforscht werden sollen. Zwar gibt es punktuelle Schwerpunktsetzungen, etwa durch nationale Forschungsprogramme oder Forschungsschwerpunkte. Doch grundsätzlich sind wir überzeugt: Die besten Impulse kommen aus der Forschung selbst, und die Wissenschaftler*innen wissen am besten, welche Fragen für die Zukunft relevant sind. Ein Beispiel ist die Nanotechnologie, die, anders als von der Politik, von der Wissenschaft früh als relevant erkannt und entsprechend bearbeitet wurde. Das gilt auch für die globale Gesundheit: Forschungseinrichtungen wie das Swiss TPH setzen ihre Schwerpunkte basierend auf ihrer wissenschaftlichen Expertise.»

Wie kann die Schweiz weiterhin innovativ und wettbewerbsfähig bleiben, und welche Rolle spielen dabei Institutionen von nationaler Bedeutung, wie das Swiss TPH?

Martina Hirayama: «Das Swiss TPH ist mit gutem Grund ein Institut von nationaler Bedeutung. Es arbeitet eng mit Hochschulen wie der Universität Basel zusammen und bringt wichtige internationale Perspektiven ein. Im Bereich Life Sciences und globale Gesundheit ist in der Region Basel ein starkes Ökosystem entstanden. Dass die Fondation Botnar ausgerechnet an diesem Standort investiert, dazu haben exzellente Institutionen wie das Swiss TPH wesentlich beigetragen. International – gerade im afrikanischen Raum – ist das Swiss TPH ein sichtbarer, geschätzter Partner. Das stärkt auch das Image der Schweiz als vertrauenswürdigen Wissenschaftsstandort.»

In seiner Evaluation hält der Schweizerische Wissenschaftsrat fest, dass das Swiss TPH in Zukunft aufgrund der Gesundheitsrisiken, die der Klimawandel mit sich bringt, noch wichtiger werden wird. Wie schätzen Sie das ein?

Martina Hirayama: «Leider schätze ich das auch so ein. Wir sehen heute schon, dass Krankheiten, die in unseren Breitengraden nicht üblich waren, sich hier nun plötzlich auszubreiten beginnen. Mücken etwa, die solche Krankheiten übertragen können, finden durch das veränderte Klima neue Lebensräume. Das Swiss TPH kann mit seiner jahrelangen Erfahrung bei der Bekämpfung von Tropenkrankheiten auch in der Schweiz einen wichtigen Beitrag leisten, beispielsweise bei der Früherkennung und Prävention. Durch seine engen Kontakte zu Ländern in tropischen Regionen ist es zudem bestens vernetzt, um neue Herausforderungen bei diesen Krankheiten anzugehen, etwa wenn es darum geht, gemeinsam mit Partnern vor Ort neue Ansätze zur Bekämpfung oder Wirkstoffe für Medikamente zu entwickeln.»

Das Swiss TPH arbeitet entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Grundlagenforschung bis zur Erprobung und Anwendung von Forschungsergebnissen. Welche Rolle spielt für Sie die Anwendbarkeit von Wissenschaft und wie sollte diese gefördert werden?

Martina Hirayama: «Grundlagenforschung bleibt zentral – sie dient dem Erkenntnisgewinn. Gleichzeitig ist es wichtig, Wege zu finden, um Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Dafür braucht es das Bewusstsein bei den Forschenden selbst, geeignete Rahmenbedingungen sowie Förderinstrumente wie diejenigen von Innosuisse, die zum Beispiel KMU dabei unterstützen, Zugang zu diesem Wissen zu erhalten und Anwendungen entwickeln zu können. Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis ist entscheidend und letztlich eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir auch künftig in die Grundlagenforschung investieren können.»

Sie waren kürzlich in Tansania und Kenia, um die bilateralen Beziehungen in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation zu stärken. Was waren Ihre Eindrücke?

Martina Hirayama: «Es war spannend zu sehen, wie engagiert die lokalen Forschenden sind – zum Beispiel beim Ifakara Health Institute (IHI), das eng mit dem Swiss TPH zusammenarbeitet. Diese Zusammenarbeit, die bereits seit 1956 besteht, zeigt, wie viel man dank langfristiger strategischer Partnerschaft gemeinsam erreichen kann. Das IHI ist heute ein Forschungsinstitut von internationaler Ausstrahlung. Es erhält seine Mittel aufgrund seiner wissenschaftlichen Qualität und als kompetenter Forschungspartner.»

Martina Hirayama