Druck

Globale Gesundheit: Eine kluge Investition für die Schweiz
28.07.2025 - Eva Herzog

Seit Jahrzehnten ist die globale Gesundheit eine Erfolgsgeschichte. Investitionen in Forschung, Innovation und öffentliche Gesundheit haben Millionen von Leben gerettet, Gesundheitssysteme gestärkt und den Zugang zur Gesundheitsversorgung für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen weltweit verbessert. Dieser Fortschritt steht jetzt auf dem Spiel – mit Folgen, die nicht nur den globalen Süden betreffen, sondern auch uns hier in der Schweiz.

Eva Herzog, Präsidentin des Kuratoriums des Swiss TPH, appeliert an die Schweiz: Es ist Zeit für mehr – nicht weniger – Engagement im Bereich der globalen Gesundheit.

Globale Gesundheit in der Krise

In den vergangenen Monaten hat sich das internationale Finanzierungsumfeld für die globale Gesundheit dramatisch verändert. Die USA – historisch gesehen der grösste Geldgeber in diesem Bereich – haben angekündigt, ihre Entwicklungsagentur USAID aufzulösen und die Gelder für öffentliche Gesundheit und Forschung drastisch zu kürzen. In den letzten Jahren hat USAID jährlich rund 10 Milliarden US-Dollar in Programme zur Bekämpfung von Malaria, Tuberkulose, HIV und vernachlässigte Tropenkrankheiten, sowie in die Stärkung von Gesundheitssystemen investiert.

Diese Mittel sind auf einen Schlag weg – und mit ihnen der Zugang zu Diagnostik und lebenswichtigen Medikamenten für Millionen von Menschen. Langjährige Partnerinstitutionen der Schweiz, wie das Ifakara Health Institute in Tansania, mussten bereits Mitarbeitende entlassen und wichtige Malariaprogramme einstellen. Expertinnen und Experten schätzen, dass allein im Jahr 2025 durch die USAID-Kürzungen 15 Millionen zusätzliche Malariafälle und über 100’000 Todesfälle auftreten könnten.

Doch die Konsequenzen gehen tiefer. Der Rückzug der USA aus der globalen Gesundheitszusammenarbeit – etwa durch den Abbau von Frühwarnsystemen, eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsdaten und die Schwächung von Forschungseinrichtungen – untergräbt unsere kollektive Fähigkeit, Gesundheitsrisiken frühzeitig zu erkennen und koordiniert zu reagieren.

CALINA ETUDES
Das Swiss TPH hat an der Entwicklung des ersten Malariamedikaments für Neugeborene und Säuglinge unter 4,5 kg mitgewirkt, das kürzlich von Swissmedic zugelassen wurde. (Foto: Justin Makangara/Fairpicture/Swiss TPH)

Was das für die Schweiz bedeutet

Diese Entwicklungen mögen auf den ersten Blick weit entfernt wirken – doch sie betreffen uns direkt. In einer global vernetzten Welt bleibt der Abbau der globalen Gesundheitsarchitektur nicht ohne Folgen für die Schweiz. Die COVID-19-Pandemie hat es deutlich gezeigt: Krankheitserreger kennen keine Grenzen. Die Tigermücke ist inzwischen auch hierzulande heimisch – eine Übertragung von Denguefieber ist damit nur noch eine Frage der Zeit.

Ausbrüche von Vogelgrippe, Mpox und anderen Zoonosen verdeutlichen, wie rasch sich Infektionskrankheiten global verbreiten – und wie schnell selbst gut etablierte Präventionsmechanismen an ihre Grenzen stossen. Frühwarnung, internationale Kooperation und funktionsfähige Gesundheitssysteme sind dabei nicht nur global relevant – sie sind auch für unsere eigene Sicherheit und Handlungsfähigkeit im Krisenfall von zentraler Bedeutung.

Das Swiss TPH ist in mehreren Projekten zur Überwachung der Tigermücke in der Schweiz involviert, sowohl auf nationaler als auch kantonaler Ebene, um deren Ausbreitung sowie die potentielle Übertragung von Krankheiten einzudämmen. (Foto: Joachim Pelikan/Swiss TPH)

Eine Investition, die sich auszahlt

Globale Gesundheit ist aber nicht nur ein gesundheitspolitisches Thema – sie ist auch Treiberin von Innovation und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft. Die Schweiz beherbergt eines der führenden Life-Sciences-Ökosysteme weltweit. Globale Unternehmen wie Novartis und Roche, die Biotech-Branche, akademische Institutionen wie die ETH Zürich, die EPFL und die Universitäten, aber auch spezialisierte Institute wie das Swiss TPH tragen nicht nur zu Lösungen von grossen Herausforderungen bei – sie profitieren auch von einem Schweizer Engagement in der globalen Gesundheit. Ebenso wie unsere Nachwuchsforschenden.

Die Schweiz verfügt über eine weltweit führende Life-Sciences-Branche. Von diesem innovativen Umfeld profitieren globale Unternehmen, Biotech-Start-ups ebenso wie akademische Einrichtungen. (Foto: Joachim Pelikan/Swiss TPH)

Auch das internationale Genf profitiert – mit Akteuren wie der WHO, dem Global Fund, der Impfallianz Gavi und vielen weiteren. Seit der Jahrtausendwende haben diese Organisationen hunderte Millionen Franken in der Schweiz für Produkte und Dienstleistungen ausgegeben. Schweizer Anbieter – vom Grossunternehmen bis zum spezialisierten KMU – gehören zu den weltweit wichtigsten Partnern für Diagnostik, Arzneimittel, Logistik und technischen Lösungen. Der wirtschaftliche Nutzen für die Schweiz ist enorm.

Schweizer Fachwissen ist international gefragt – von psychischer Gesundheit über Lebensmittelsicherheit bis hin zu digitaler Epidemiologie und regulatorischen Fragen. Der damit verbundene Austausch ist mehr als eine technische Zusammenarbeit: Er ist auch Wissenschaftsdiplomatie und stärkt das internationale Vertrauen in die Schweiz. Gleichzeitig liefern Innovationen aus ressourcenarmen Kontexten – etwa kosteneffiziente Versorgung zu Hause oder dezentrale Gesundheitsdienste – wertvolle Impulse auch für unser eigenes System. Dieser Austausch schafft Vertrauen, stärkt die Krisenfestigkeit und erweitert unsere internationale Wirkung.

Institutionen unter Druck

Trotz dieser Bedeutung stehen Schweizer Institutionen im Bereich der globalen Gesundheit unter wachsendem Druck. Die weltweiten Auswirkungen des US-Rückzugs und sinkender Beiträge an multilaterale Organisationen wie den Global Fund, Gavi oder die WHO sind bereits spürbar. Während ein verstärktes Engagement nötig wäre, sieht sich die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) aber mit Budgetkürzungen konfrontiert. So sieht die Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025–2028 vor, 15 % des Budgets zugunsten der Ukraine umzuschichten.  Diese Priorisierung ist nachvollziehbar – erfolgt jedoch auf Kosten langjähriger Schweizer Partnerschaften in Subsahara-Afrika und Asien.

Gleichzeitig drohen Kürzungen bei der Forschungsförderung – etwa beim Schweizerischen Nationalfonds. Das gefährdet genau jene Projekte, die Innovationen vorantreiben, Schweizer Expertise stärken und dafür sorgen, dass unsere Forschungsergebnisse und Technologien global von Bedeutung bleiben.

Eva Herzog im Gespräch mit Lutz Hegemann, Präsident Global Health und Swiss Country Affairs bei Novartis, am Symposium «Improving Access to Healthcare in Low- and Middle Income Countries» des Swiss TPH (2024). Fachleute und wichtige Akteure aus Wissenschaft, Pharmaindustrie, Politik und Produktentwicklungspartnerschaften kamen zusammen, um Synergien in den Bereichen Forschung, Arzneimittelentwicklung und Implementierung von Medikamenten zu fördern.(Foto: Joachim Pelikan/Swiss TPH)

Ein Appell für mehr – nicht weniger – Engagement

Die Schweiz hat auf der internationalen Bühne stets über ihre Gewichtsklasse hinausgewirkt. Gerade im Bereich der globalen Gesundheit ist diese Führungsrolle nicht nur willkommen – sie ist unerlässlich. Wir verfügen über die Institutionen, das Wissen und die Glaubwürdigkeit, um einen messbaren Beitrag zu leisten.

Jetzt ist nicht die Zeit für Rückzug. Im Gegenteil: Jetzt gilt es, unser Engagement für die globale Gesundheit zu bekräftigen – nicht nur aus Solidarität, sondern auch als strategische Investition in unsere Widerstandsfähigkeit, Wohlstand und Sicherheit.

Ich bin überzeugt: Wer heute in globale Gesundheit investiert, trifft eine der klügsten und vorausschauendsten Entscheidungen – für die Welt und für die Schweiz.

Dr. Eva Herzog ist Präsidentin des Swiss TPH-Kuratoriums und Ständerätin des Kantons Basel-Stadt.