Eine gross angelegte Studie des DYNAMIC-Projekts zeigt vielversprechende Ergebnisse: Durch den Einsatz eines neuen digitalen Tools zur klinischen Entscheidungshilfe konnte die Verschreibung von Antibiotika um das Zwei- bis Dreifache reduziert werden. Diese Ergebnisse, die gestern in der Fachzeitschrift «Nature Medicine» veröffentlicht wurden, sind ein wichtiger Schritt zur Eindämmung der bakteriellen Antibiotikaresistenz.
Das DYNAMIC-Projekt konzentriert sich auf die Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Kindern im Alter von 0 bis 14 Jahren in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Ein Team aus schweizerischen und tansanischen Medizin- und IT-Expert*innen von Unisanté, dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut, dem Ifakara Health Institute und dem National Institute of Medical Research haben ePOCT+ entwickelt, ein digitales Tool, das einen Algorithmus zur Unterstützung klinischer Entscheidungen mit einer Reihe wichtiger diagnostischer Schnelltests kombiniert. Dieses Tool bietet eine klinische Entscheidungshilfe für das Gesundheitspersonal, indem es ihnen Hinweise gibt, welche Symptome und Anzeichen zu überprüfen sind, welche Tests durchgeführt werden sollten und schliesslich, welche Diagnose und Behandlung vorgeschlagen werden sollte. All dies wird durch eine Mentoring-Strategie für Kliniker*innen unterstützt, die auf der Visualisierung ihrer eigenen monatlichen Arzneimittelverschreibungen basiert. Das Projekt wird von der Fondation Botnar und der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) finanziert.
Vielversprechende Ergebnisse gegen die übermässige Verschreibung von Antibiotika
Im Rahmen einer cluster-randomisierten kontrollierten Studie in Tansania mit 44 306 Kindern wurde ePOCT+ in 20 ambulanten Gesundheitszentren eingesetzt, während 20 weitere Zentren die Standardbehandlung durchführten. Die Ergebnisse sprechen für sich: Durch den Einsatz von ePOCT+ konnte die Verschreibung von Antibiotika deutlich reduziert werden. Als das Tool eingesetzt wurde, wurden in 23,2 % der Konsultationen Antibiotika verschrieben, während dies bei 70,1 % der Konsultationen der Fall war, als das Tool nicht eingesetzt wurde. Hierbei ist wichtig festzuhalten, dass diese Verringerung der Verschreibung von Antibiotika nicht zu einem Anstieg klinischer Misserfolge am siebten Tag führte, im Vergleich zur Behandlung von Kindern, bei welchen ePOCT+ nicht verwendet wurde. Tatsächlich erholten sich die mit ePOCT+ behandelten Kinder genauso schnell wie die mit der Standardbehandlung behandelten Kinder. Darüber hinaus wurde bis zum siebten Tag kein negativer Trend in Bezug auf Todesfälle und sekundäre Krankenhausaufenthalte beobachtet.
Dringender Handlungsbedarf
Die Resistenz von Bakterien gegen Medikamente hat 2019 zu 1,27 Millionen Todesfällen geführt, eine globale Bedrohung, die ebenso schwerwiegend ist wie die durch Malaria und HIV zusammen. Die unsachgemässe Verwendung von Antibiotika spielt dabei eine wichtige Rolle. In Tansania erhält die Mehrheit der erkrankten Kinder bei einem ärztlichen Termin Antibiotika, obwohl 80 bis 90 % dieser Verschreibungen nutzlos und sogar schädlich sind, da sie sich negativ auf die Darmflora auswirken. Die Studie stellt daher einen signifikanten Fortschritt in der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen dar, die umso dringlicher ist, als immer seltener neue antibakterielle Wirkstoffe entdeckt werden.
Vielversprechende Perspektiven für weitere Länder
Obwohl die Ergebnisse dieser Studie bereits vielversprechend sind, arbeitet das Forschungsteam weiter, um sicherzugehen, dass diese Ergebnisse auch unter weniger kontrollierten Bedingungen zutreffen, und um die Nutzung von ePOCT+ zu verbessern und auszuweiten. Ziel ist es, herauszufinden, welche Zweige des Algorithmus von ePOCT+ wirklich nützlich sind, um ihn zu vereinfachen, und warum manche Gesundheitsdienstleister*innen ihn noch nicht oder nicht richtig nutzen. Die Publikation in «Nature Medicine» ist ein wichtiger Meilenstein, der einen breiteren Einsatz dieses oder eines ähnlichen Tools begünstigen könnte, was den Weg für eine sicherere, wirksamere Versorgung von Patient*innen in Tansania und darüber hinaus ebnen würde.