Neues Hebammen-Betreuungsmodell verbessert das Wohlergehen vulnerabler Familien

27.04.2023

Ein neues häusliches Hebammen-Betreuungsmodell hat sich als vielversprechend erwiesen, um das Wohlergehen von Frauen in vulnerablen Familiensituationen zu verbessern und chro-nischem frühkindlichen Stress vorzubeugen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift BMC Health Services Research publiziert wurde. Das neue Be-treuungsmodell entstand aus einer Partnerschaft zwischen dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) und Familystart beider Basel, Schweiz. Das Modell könnte für alle Schweizer Kantone angewendet werden.

Bildnachweis: Familystart

Die häusliche Hebammen-Betreuung wird in der Schweiz für alle Mütter mit Neugeborenen von der Krankenversicherung abgedeckt, muss aber von den Müttern selbst organisiert werden. Damit alle Zugang zu diesen Dienstleistungen haben, garantiert das Hebammen-Netzwerk Family-start in der Region Basel allen aus dem Spital entlassenen jungen Müttern mit Neugeborenen eine nachgeburtliche Betreuung zuhause. So erhalten über Familystart auch jene Familien Betreuung, denen das Wissen oder die Ressourcen fehlen, um sich selbst eine Hebammenbetreuung zu organiseren.

Um den besonderen Bedürfnissen von vulnerablen Müttern und Neugeborenen gerecht zu werden, hat Familystart das neue Betreuungsmodell SORGSAM (Support am Lebensstart) eingeführt, das Familien in benachteiligten Bevölkerungsgruppen unterstützt. Das Programm bietet Hebammen zusätzliche Unterstützung, um Risiken einzuschätzen und passende Hilfestellungen zu organisieren für Familien in Belastungssitutionen, zum Beispiel aufgrund von fehlendem Supportnetz, Armut, psychischen Erkrankungen, Partnerschaftskonflikten oder Asylstatus.

Das SORGSAM Projekt ist das erste und einzige Frühe-Hilfe-Programm in der Schweiz, das das Potential der Hebammen als Berufsgruppe im Fokus hat und ihre Rolle als Ansprechpartnerinnen für vulnerable und marginalisierte Familien anerkennt.

Verbessertes Wohlergehen der Mütter

In einer neuen Studie zu SORGSAM stellten Forscherinnen des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) eine hohe Akzeptanz des neuen häuslichen Hebammen-Betreuungsmodells fest und wiesen nach, dass es in der Lage ist, das Wohlergehen von Frauen in vulnerablen Familiensituationen zu verbessern und chronischem frühkindlichen Stress vorzubeugen. Die Ergebnisse zeigten eine Zunahme der Kompetenzen der Mütter in den drei Bereichen Säuglingsbetreuung, Organisation des Familienlebens sowie Suche und Akzeptanz passender Hilfsangebote. Die Studie wurde kürzlich in BMC Health Services Research publiziert.

«Hebammen spielen eine wichtige Rolle dabei, am Beginn des Lebens für Chancengleichheit zu sorgen. Deshalb sind wir dankbar, dieses neue Hebammen-Betreuungsmodell als Pionierprojekt auf den Weg gebracht zu haben», sagt Elisabeth Kurth, Mitautorin der Studie und assoziierte Wissenschaftlerin beim Swiss TPH. «Dieser innovative Ansatz der frühen Postpartum-Betreuung hat das Potential, die Entwicklung benachteiligter Babys und Mütter zu verbessern, und könnte auch von anderen Kantonen übernommen werden.»

Bedeutung von Hebammen als Berufsgruppe

Die Studie ergab, dass die Anwesenheit und hohe Verfügbarkeit von Hebammen entscheidend dazu beitrug, Stress bei Müttern zu lindern und positives Erziehungsverhalten und Selbstvertrauen zu fördern, und gleichzeitig den Zugang zu Unterstützungsangeboten zu verbessern. Die Frauen beschrieben die Hebammenbetreuung als umfassend, persönlich und zuverlässig und gaben an, dass dadurch die Belastung sozialer Isolation vermindert und ihnen geholfen wurde, besser mit komplexen Familiensituationen umzugehen.

In der Studie wurden sieben Frauen befragt, die Unterstützung zu Hause in Basel erhielten. Die Teilnehmerinnen hatten vielfältige Hintergründe und Erfahrungen, darunter Alleinerziehende, Mütter mit Migrationshintergrund, unterschiedlichem Bildungsniveau oder Belastungen wie Arbeitslosigkeit oder Erfahrung von häusliche Gewalt.

«Bei der Befragung der Teilnehmerinnen war ich beeindruckt von ihrer Dankbarkeit gegenüber der Hebamme, die ihnen wichtige Unterstützung in äusserst belastenden Situationen zukommen liess», sagt Bettina Schwind, Forscherin am Swiss TPH und Erstautorin der Studie. «Die jungen Mütter fühlten sich bestärkt und belastbarer. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass eine möglichst frühe Unterstützung durch Hebammen eine bedeutende Veränderung im Leben von Frauen und Neugeborenen bewirken kann.»

Familystart

Familystart ist ein Netzwerk frei praktizierender Hebammen. Familystart arbeitet in enger Partnerschaft mit Geburtskliniken und den lokalen Elternberatungsdiensten zusammen, um allen Familien einen nahtlosen Betreuungsübergang vom Spital in die häusliche Umgebung anzubieten. In der sensiblen Zeit nach der Geburt eines Babys überwachen Hebammen die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen, stehen Eltern mit Rat und Tat zur Seite, vermitteln ihnen Kontakt zu den lokalen Beratungsangeboten und fördern damit die gesunde Entwicklung von Babys und Familien.

Das SORGSAM Betreuungsmodell bietet psychosozial und ökonomisch benachteiligten Familien verbesserte Unterstützung durch das Angebot von telefonischem First-Line-Support für Hebammen, einen Härtefallfonds für die Entschädigung von Leistungen, die nicht von der Krankenversicherung abgedeckt werden, und finanzielle Nothilfe. Das SORGSAM-Modell wird in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Hebammenverband Basel angeboten und vom Gesundheitsdepartement Basel-Stadt mitfinanziert.

Über die Studie

Schwind, B., Zemp, E., Jafflin, K. et al. “But at home, with the midwife, you are a person”: experiences and impact of a new early postpartum home-based midwifery care model in the view of women in vulnerable family situations. BMC Health Serv Res 23, 375 (2023). https://doi.org/10.1186/s12913-023-09352-4. Die Studie wurde durch die Christoph Merian Stiftung finanziert.

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