Zahl der Legionellose-Fälle in der Schweiz steigt weiter an

02.05.2022

Die Zahl der Legionellose-Erkrankungen in der Schweiz ist in den vergangenen 20 Jahren um das Fünffache gestiegen. Eine heute im International Journal of Hygiene and Environmental Health veröffentlichte Studie des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) analysiert die Fallzahlen von 2000 bis 2020 und beleuchtet mögliche Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Meldezahlen. In den letzten Jahren beobachteten die Forscher*innen einen verstärkten Anstieg der Erkrankungen in den Sommermonaten. Die Schweiz hat eine der höchsten Legionellose-Inzidenzen in Europa.

[Translate to German:] Legionella pneumophila bacteria

3D Darstellung von Legionella pneumophila-Bakterien in der menschlichen Lunge. (Foto: 123rf)

Die Legionellose wird von Bakterien der Gattung Legionella hervorgerufen und tritt in zwei unterschiedlichen Formen auf, von denen die schwerere und weiterverbreitete als Legionärskrankheit bekannt ist. Die Legionellen-Bakterien werden durch Wasser oder Erde übertragen und können eine schwere Lungenentzündung verursachen. Zwar lässt sich die Krankheit mit Antibiotika behandeln, dennoch verläuft sie in etwa 10 % aller Fälle tödlich.[1] In der Schweiz ist die Legionärskrankheit meldepflichtig; die Fallzahlen werden vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) überwacht. Krankheitsfälle müssen sowohl vom Diagnoselabor als auch von den behandelnden Ärzt*innen gemeldet werden.

Seit 2000 ist die Zahl der gemeldeten Legionellose-Fälle in der Schweiz stetig gestiegen, von 140 Fällen pro Jahr zu Beginn der 2000er-Jahre auf etwa 500 pro Jahr zwischen 2016 und 2020. Der Aufwärtstrend erreichte 2018 einen vorläufigen Höhepunkt und stabilisierte sich auf diesem Niveau; erst im Jahr 2020 gingen die Fallzahlen wieder zurück, vermutlich im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Zu diesem Ergebnis kommen die Forscher*innen einer Studie des Swiss TPH, die heute im International Journal of Hygiene and Environmental Health veröffentlicht wurde.

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Legionellose-Meldezahlen

Die Wissenschaftler*innen untersuchten die Auswirkungen der Massnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 während der ersten Pandemiewelle. «Wir hatten einen gewissen Anstieg der Fallzahlen nach dem Lockdown erwartet, –dies bedingt durch stehendes Wasser in ungenutzten Gebäuden wie Hotels oder Fitnessstudios – aber das war nicht zu beobachten», sagte Fabienne Fischer, Doktorandin am Swiss TPH und Hauptautorin der Publikation. Die Autorinnen und der Autor fanden zudem, dass die Diagnoselabors trotz Fokus auf COVID-19 auch während der Pandemie mit ähnlicher Frequenz berichteten, was auf ein robustes Überwachungssystem schliessen lässt.

Höhere saisonale Spitzenwerte

Die Studie zeigt auf, dass der Anstieg der Legionellose in den Sommermonaten im Laufe der Jahre immer stärker ausfiel (siehe Abbildung 1). «Das ist besorgniserregend, denn wir können davon ausgehen, dass der Klimawandel diese saisonalen Anstiege noch weiter verschärft», sagt Daniel Mäusezahl, Studienleiter und Leiter der Gruppe «Household Health Systems» am Swiss TPH.

Eine andere zeitgleich vom Swiss TPH in Swiss Medical Weekly veröffentlichte Studie [2] zur Legionellose liefert Hinweise auf eine grosse Dunkelziffer bei den Fallzahlen, da Diagnostiktests derzeit ausserhalb von Spitälern kaum durchgeführt werden. So werden leichte Fälle zwar behandelt, aber nicht diagnostiziert und bleiben daher grösstenteils unerkannt. «Wir brauchen ein besseres Verständnis dazu, weshalb diese Krankheit in der Schweiz so verbreitet ist, wie sich das Bakterium in der natürlichen Umwelt verhält und über welche Mechanismen es auf den Menschen übertragen wird», erklärt Mäusezahl. «Das ist umso wichtiger als die Schweiz noch immer eine der höchsten Legionellose-Inzidenzen in Europa aufweist. Die neuesten Daten aus dem Jahr 2021 scheinen den Aufwärtstrend ausserdem zu bestätigen.»

Abbildung 1 zeigt die Anzahl gemeldeter Legionellose-Erkrankungen pro 100 000 Einwohner in der Schweiz für alle Kalendermonate der Jahre 2000 bis 2020. In allen Jahren stiegen die Fallzahlen in den Sommermonaten an. In der jüngeren Vergangenheit (2016–2020 in Orange) fiel dieser Anstieg jedoch wesentlich höher aus.

Umfassende Forschungsprojekte angestossen

Das Swiss TPH ist an mehreren Forschungsprojekten zum Thema Legionellose in der Schweiz beteiligt. Dabei untersuchen die Wissenschaftler*innen die Auswirkungen von Wetter und Luftverschmutzung auf die Krankheitsinsidenz (GeoLEGIO) und analysieren Risikofaktoren und Expositionsquellen für Infektionen (SwissLEGIO). Das SwissLEGIO-Projekt ist eine landesweite Fall-Kontroll-Studie, die Quellen der Infektion auch auf molekularer Ebene erforscht; die Rekrutierung von Studienteilnehmer*innen soll im Sommer 2022 beginnen. Gemeinsam mit dem von der Eawag geleiteten Konsortium «Legionella Control in Buildings (LeCo)» untersucht das Swiss TPH das Genom von Legionellen (mittels Gesamtgenomsequenzierung) aus der natürlichen Umwelt und aus dem Lungensekret von Patient*innen mit der Legionärskrankheit. So können in der Natur vorkommende Bakterien mit jenen in den Lungen der Patient*innen verglichen werden.

Das Projekt wird vom Bundesamt für Gesundheit (BAG), dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen und dem Bundesamt für Energie finanziert. Zu den Hautprojektpartnern zählen die Eawag, das Universitätsspital Basel, das Nationale Referenzzentrum für Legionellen (Bellinzona), die Hochschule Luzern und das Kantonale Labor Zürich und ein Netzwerk von 16 weiteren Spitälern.

Über die Legionellose

Bakterien der Gattung Legionella wurden bekannt als Auslöser einer schweren Lungenentzündung, an der zahlreiche Teilnehmende eines Treffens der US-Kriegsveteranenvereinigung «American Legion» in Philadelphia (USA) im Jahr 1976 erkrankten – daher stammen auch die Bezeichnungen «Legionärskrankheit» bzw. «Legionellose».

Der Hauptübertragungsweg von Legionellen ist das Einatmen der Bakterien in Aerosolen, die durch z.B. durch Spritz- oder Strahlwasser oder Wassernebel entstehen. Auch das unbeabsichtigte Verschlucken von bakterienhaltigem Wasser, wie es vor allem bei Patient*innen im Spital vorkommt, kann zu einer Infektion führen. Die Krankheit ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar.

Informationen zur Publikation

Die Studie wurde vom Swiss TPH in Zusammenarbeit mit dem BAG durchgeführt und vom BAG finanziert.

Fischer, FB, Mäusezahl D, Wymann MN (2022). Temporal trends in legionellosis national notification data and the effect of COVID-19, Schweiz, 2000–2020. International Journal of Hygiene and Environmental Health. DOI: 10.1016/j.ijheh.2022.113970